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Die Walkemühle
Landerziehungsheim von (1921-1933)
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14 Sicht von außen

Viele waren arbeitslos in Adelshausen, und die Unterstützung war meist zu gering, um sich davon auch nur satt essen zu können. So entstand die Idee, durch ein Stück Land zu Selbstversorgern zu werden.

Ein Einwohner aus Adelshausen erzählt:

"Durch das Bekanntwerden mit der Walkemühle kam das bei uns in Gang. Wenn einer was hatte, mit der Arbeitslosenversicherung oder so, dann ging er zur Walkemühle. Das waren ja ganz ganz hochgestellte Leute da, die konnten einem schon helfen. Und am zweiten Weihnachtstag 1924 wurde dann von 8-10 Mann in der Walkemühle der Siedlungsverein gegründet. Die  anderen Arbeiten, die dann nötig waren, das nun in die Tat umzusetzen, hat dann die Walkemühle übernommen. Minna Specht, Ihlenfeld und Eichler und wie sie  alle hießen. Rechtsanwalt Lewinski hat uns beim Land Hessen unentgeltlich vertreten, denn das Land, was wir gepachtet haben, gehörte zur Domäne, zu einem Staatsgut.

Alleine hätten wir es vielleicht gar nicht geschafft, denn die in Malsfeld haben das zu der Zeit auch versucht und haben keinen Erfolg gehabt.

Die vielen Arbeitslosen zu der Zeit bei uns waren froh, dass jeder ein Stückchen Land kriegte. Er brauchte kein Geld mehr für das Essen auszugeben, er konnte Kartoffeln anbauen, er konnte ein Schwein schlachten, da hatte er Milch - manche hatten auch zwei Kühe. Insgesamt waren es siebzig Morgen, die von der Domäne abgetrennt wurden. (4 Morgen = 1 ha, R.G.)

Es heißt im § 1 der Satzung des Kleinpacht - und Siedlungsvereins Adelshausen, ,...der den Zweck hat, seinen Mitgliedern die Pachtung von fremden und eigenen Äckern und Wiesen zu angemessenen Preisen zu vermitteln, sonstige gemeinnützige und soziale Bestrebungen zu fördern, den Zusammenschluss und die Einigkeit seiner Mitglieder zu pflegen...'

Die Minna Specht war die ganze Zeit mit im Vorstand des Siedlungsvereins. 1933 musste sie dann ausscheiden, jetzt mussten wir doch gleichgeschaltet werden. Wir mussten in Melsungen vor dem Amtsgericht einen neuen Vorstand bilden, und wir mussten die Garantie geben, dass da mindestens 52 % nationalistisch eingestellt waren. Unsere Satzung wurde dabei auch geändert.

Im letzten Jahr (1975, R.G.) haben wir dann den Siedlungsverein aufgelöst, es waren keine Interessenten für das Land mehr da. Ein Teil davon haben jetzt Bauern gepachtet, den anderen Teil hat die Stadt Melsungen als Baugelände vorgesehen."(Johann Eckhardt)

Ein anderer Dorfbewohner erinnert sich noch an die Walkemühle:

"Das waren ganz andere Menschen als wir, die stellten keine Mausefallen auf und machten aus Öl und Kokosfett Schmalz. Manchmal, machte man hier im Dorf eine Spinnstube, da sind sie hochgekommen.

Und bei dem Kuchen, der gebacken war, haben sie immer gefragt, ob da tierische Fette drin sind. Die haben auch nie mitgetrunken, aber die Abende waren immer sehr schön.

Die halfen auch manchmal den Bauern. Wenn jemand auf dem Feld war und hat gearbeitet: Ohne dass der das gewollt hat, sind sie hingegangen und haben einfach geholfen. Geld nahmen die dafür nie, für Geld haben die nichts gemacht.

Einmal waren so viele Lehrer für vier Wochen zu einem Kurs in der Walkemühle, dass sie dort nicht alle schlafen konnten, da wohnten dann welche im Dorf. Zwei hatten wir dann im Haus. Die hatten aber noch den Klassendünkel und haben gar nicht verstanden, dass die aus der Walkemühle sich mit uns unterhalten haben.

Bei Minna Spechts Tod vor ein paar Jahren, bin ich dann noch mit einigen Adelshäusern nach Bremen zur Beerdigung gefahren, die hatte nämlich viel für uns getan." (Justus Eckhardt)

Ganz andere  Erinnerungen hatte ein Pfarrer aus Dagobertshausen, einer Nachbargemeinde von Adelshausen. Er schrieb mir dazu folgendes auf:

Sachbericht über die Walkemühle (Adelshausen) aus meiner Kenntnis während meiner Tätigkeit im Kreis Melsungen 1923 bis 1933.

Meine ersten Erkenntnisse über die Walkemühle stammen vom Hörensagen und verschiedenen Gesprächen, die ich in meinem Jugenddienst gelegentlich mit Kirchenmitgliedern im  Kreis Melsungen geführt habe. Äußerungen und Namen dieser Menschen kann ich nicht mehr angeben, ihre Aussagen über die Walkemühle interessierten mich auch dienstlich nicht.

Erst Ende der zwanziger Jahre wurde ich durch glaubwürdige Gemeindemitglieder darauf aufmerksam gemacht, dass in der Walkemühle eine Schulung internationaler Kommunisten  betrieben werde, unter der Leitung eines Prof. Nelson aus Göttingen, hauptsächlich an Studenten. Es wurde mir auch bekannt, dass diese Gruppe in den Nachbarorten von Melsungen, wie auch in meinen Kirchspielgemeinden, eine eifrige Propaganda durchführte.

Der Auswirkung dieser Propaganda bin ich von etwa 1929 ab bei meinen Kirchspiel begegnet. ... Dabei kam es z.T. auch zu einer Konfrontation zwischen meiner Stellungnahme aufgrund der biblischen Gebote und gesellschaftspolitischen Bestrebungen.

Hierbei wurde die Propaganda der Walkemühle deutlich. In den schon seit Jahren von uns geleiteten Frauenhilfsabenden hat vor allem meine Frau mit den Mitgliedern auch über die ehelichen Nöte der Frauen Aussprache gehabt, während ich in meinen Jugendabenden und Freizeiten über die Probleme und ihre Überwindung mit den jungen Menschen offen gesprochen habe.

In einigen Gemeinden führte ich Volksmissionsvorträge mit entsprechenden Themen auch für Erwachsene durch. Bei einem solchen Abend mit einem diesbezüglichen Referat eines Diplom-Ingenieurs in einer von dem Einfluss der Walkemühle besonders beunruhigten Gemeinde trat am Schluss ein etwa dreißigjähriger Ehemann mit einer Gruppe jüngerer Ehefrauen mit diffamierenden und höhnischen Bemerkungen und demonstrierender Haltung auf. Er hatte mit seiner in der Walkemühle geschulten Propaganda durch seine Familienbesuche kirchen-gegnerisch und kommunistisch das Dorf in eine gefährliche Spaltung gebracht.

Eine andersartige Methode ihrer politischen Propaganda zeigte die Walkemühlgruppe bei folgender Gelegenheit: Februar 1932 fand im Jugendheim Dagobertshausen eine Freizeittagung für erwerbslose junge Männer statt, von 40 bis 50 Jugendlichen besucht. Morgenandacht, berufsschulähnliche Beschäftigung,  Aussprachen über Lebensfragen, Wanderungen, Vortragsabende waren das Programm während der zwölftägigen Tagung. Gegen Schluss erklärte mir ein etwa 21jähriger mit Dank für die gute Verpflegung: "Wenn die Tagung schließt, müssen Sie uns hinauswerfen".

Wenige Tage danach erschien in der Kasseler Kommunistischen Zeitung folgende Berichterstattung über die Erwerbslosenfreizeit: "Der edle Seelenhirte von Dagobertshausen - ein Steigbügelhalter der Regierung - ihr Reichspräsident war m.E. der Sozialdemokrat Ebert -. Oder :"Das Beten hat länger gedauert als das Essen." Weitere Verunglimpfungen und Unwahrheiten kann ich wörtlich nicht mehr angeben, weil die Zeitung beim Lesen in der Gemeinde, die sich an der Verpflegung der Erwerbslosen vorbildlich beteiligt hatte, leider verschwunden war. Trotz der berechtigten Empörung in der Gemeinde über den kirchenfeindlichen und erlogenen Bericht, hielt ich eine Richtigstellung nicht seiner für wert. Er hatte ja auch das Gegenteil erreicht, denn es ließen sich gegen alle kommunistische Beeinflussung Jugendliche zu weiteren Freizeiten einladen und kamen.

Ein Beweis für die auch von der Walkemühle betriebene persönliche Werbung lieferte das Ergebnis der Reichstagswahl im November 1932. Von den etwa 170 Wahlberechtigten hatten m.E. 44 die kommunistische Partei gewählt, während bei früheren Wahlen nur ungefähr zehn Gemeindemitglieder dafür gestimmt hatten. Noch am Wahltag, einem Sonntag, wurden wie im Lauffeuer die kommunistischen Wählerstimmen bekannt und Anlass zu großer Beunruhigung. Aus bäuerlichen Kreisen wurden sogar bedrohliche Erwiderungen laut, den schon früher bekannten kommunistischen Wählern keine Milch mehr zu liefern.

Über die so offenkundige Spaltung der Gemeinde, zweifellos auch eine Wirkung der Propaganda der Walkemühlgruppe, und über die feindselige Haltung von Gemeindemitgliedern gegenüber kommunistischen Wählern waren auch andere Gemeindemitglieder sehr betroffen. Um zu verhüten, dass aus der Empörung ein Hassgefühl in der bisher ohne politischen Streit miteinander lebenden Gemeinde Dagobertshausen erwuchs, habe ich sofort mit einigen Bauern über diese Lage gesprochen, dringend gebeten und ermahnt, jener im Zorn gemachten Erklärung, bez. Milchlieferung keinesfalls stattzugeben, andernfalls würde ich ganz öffentlich in meiner Verantwortung für den Frieden in der Kirchengemeinde dagegen protestieren. Es sind mir dann auch keine ungerechten Schikanen gegen kommunistische Wähler in der Gemeinde bekannt geworden.

Im Rückblick auf die bis 1933 zunehmenden politischen Auseinandersetzungen und Verfeindungen auch in den kleinen Gemeinden, darf auch ich aus meinem Dienst und Ringen um die Erneuerung unseres Volkes besonders den jungen Menschen erklären, dass die gefährliche Spaltung der damaligen politischen Lage unseres Volkes durch den national-sozialistischen Umbruch zu einer unerwarteten Einigung überführt wurde. Nur das Naziregime hat in seinem Hochmut und machtsüchtigen Totalitätsprinzip diese Möglichkeit zum Unheil verwandelt. Das wird wie auch einst der "wilhelminischen" Machtausübung jedem andersartigen politischen und totalitären Machtstreben widerfahren.  Das habe ich als 84jähriger im Miterleben zweier Katastrophen in unserem Volk erkennen müssen.

gez. Gottfried Reuter

Willi Schaper bezeichnet diese Ausführungen als zum Teil "geradezu hanebüchen. Ein Benehmen, wie er es aus seinen Veranstaltungen schildert, habe ich mit Walkemühlern nie erlebt. Es wäre auch von der Leitung der Walkemühle nicht geduldet" worden.

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